Elias Canetti.
Masse und Macht, Fischer, Frankfurt a.M., 2. Auflage, 1981 (1960)


So etwas geht sonst nur mit dem Hubble-Teleskop:
Aus Tausenden Kilometern Entfernung jemanden beim Lesen über die Schulter gucken.

Textzitate aus Elias Canettis "Masse und Macht", kommentiert mit eigenen und aus dem Netz zitierten Fotos, sowie ausgewählten Links.


Verfolgungsgefühl
Zu den auffallendsten Zügen im Leben der Masse gehört etwas, was man als ein Gefühl von Verfolgtheit bezeichenen könnte, eine besondere, zornige Empfindlichkeit und Reizbarkeit gegen ein für allemal als solche designierte Feinde. Diese können unternehmen, was immer sie wollen, sie können scharf vorgehen oder entgegenkommend, teilnahmsvoll oder kalt sein, hart oder milde – alles wird ihnen so ausgelegt, als ob es einer unerschütterlichen Böswilligkeit entspringe, einer schlechten Gesinnung gegen die Masse, einer vorgefaßten Absicht, sie offen oder heimtückisch zu zerstören. (S. 18f.)


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Die Masse als Ring
Eine zweifach geschlossene Masse hat man in der Arena vor sich. [...] Die Arena ist nach außen hin gut abgegrenzt. Sie ist gewöhnlich weithin sichtbar. Ihre Lage in der Stadt, der Raum, den sie einnimmt, ist allgemein bekannt. Man fühlt immer, wo sie ist, auch wenn man nicht an sie denkt. Rufe von ihr dringen weithin. [...] Nach außen, gegen die Stadt, weist die Arena eine leblose Mauer. Nach innen baut sie eine Mauer von Menschen auf. Alle Anwesenden kehren der Stadt den Rücken zu. [...] Für die Dauer ihres Aufenthalts in der Arena scheren sie sich um nichts, was in der Stadt geschieht. Sie lassen das Leben ihrer Beziehungen, ihrer Regeln und Gewohnheiten zurück. Ihr Beisammensein in großer Zahl ist für eine bestimmte Zeit gesichert, ihre Erregung ist ihnen versprochen worden – aber nur unter einer ganz entscheidenden Bedingung: Die Masse muss sich nach innen entladen.
Die Reihen sind übereinander angelegt, damit alle sehen, was unten vorgeht. Aber das hat zur Folge, daß die Masse sich selbst gegenübersitzt. Jeder hat tausende Menschen und Köpfe vor sich. Solange er da ist, sind alle da. Was ihn in Erregung versetzt, erregt auch sie, und er sieht es. Sie sitzen in einiger Entfernung von ihm; die Einzelheiten, die sonst unterscheiden und zu Individuen machen, verwischen sich. Sie werden sich alle sehr ähnlich, sie benehmen sich ähnlich. Er bemerkt an ihnen nur, was ihn jetzt selber erfüllt. Ihre sichtbare Erregung steigert die seine.
Die Masse, die sich selber zur Schau stellt, ist nirgends unterbrochen. Der Ring, den sie bildet, ist geschlossen. Es entkommt ihr nichts. Der Ring aus faszinierten Gesichtern übereinander hat etwas sonderbar Homogenes. Er umfasst und enthält alles, was unten vor sich geht. Keiner von allen läßt es los, keiner will weg. Jede Lücke im Ring könnte an den Zerfall, das spätere Auseinandergehen gemahnen.
(S. 25f.)


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Die Eigenschaften der Masse
1. Die Masse will immer wachsen.
2. Innerhalb der Masse herrscht Gleichheit.
3. Die Masse liebt die Dichte.
4. Die Masse braucht eine Richtung.
(S. 26)

März 2004,
April 2004.
(v.o.n.u.)






Rhythmus
Der Gegensatz zwischen Stille der Zuhörer und dem lauten Treiben des Apparates, der auf sie einwirkt, ist noch auffallender in Konzerten. Hier kommt alles auf vollkommene Ungestörtheit an. Jede Bewegung ist unerwünscht, jeder Laut verpönt. Während die Musik, die aufgeführt wird, zum guten Teil von ihrem Rhythmus lebt, darf nichts von rhytmischer Wirkung auf die Zuhörer spürbar werden. (S. 35)


>>>> www.hamburg-rockt.de



Die unsichtbaren Massen
Eine unsichtbare Masse, die immer bestand, aber als solche erst erkannt wurde, seit es Mikroskope gibt, ist das Sperma. Zweihundert Millionen dieser Samentierchen machen sich zugleich auf den Weg. Sie sind untereinander gleich und in ihrer größter Dichte beisammen. Sie haben alle ein Ziel, und bis auf ein einziges unter ihnen gehen alle auf dem Weg zugrunde. Es ließe sich sagen, daß sie keine Menschen sind und daß man von Masse im beschriebenen Sinne hier eigentlich nicht sprechen sollte. Aber dieser Einwand bringt alles mit, was von den Ahnen erhalten bleiben wird. Es enthält die Ahnen, es ist die Ahnen. Es ist eine Überraschung ungeheuerlichster Art, sie hier wiederzufinden, zwischen einem Menschendasein und dem anderen, in gründlich veränderter Gestalt: alle von ihnen in einem winzigen, unsichtbaren Geschöpf, und dieses Geschöpf in solchen unermeßlichen Zahlen. (S. 48)





Massensymbole: Meer
Das Meer hat keine inneren Grenzen und ist in keine Völker und Gebiete abgeteilt. Es hat eine Sprache, und sie ist überall dieselbe. Es gibt sozusagen keinen Menschen, der sich von ihm ausschließen ließe. Es ist zu umfassend, als daß es einer der von uns bekannten Massen genau entspräche. Aber es ist das Vorbild einer in sich gestillten Humanität, in die alles Leben mündet und die alles enthält. (S. 89)





Massensymbole: Wind
Fahnen sind sind sichtbar gemachter Wind. Sie sind wie abgeschnittene Stücke von Wolken, näher und bunter, festgehalten und von gleichbleibender Form. Wirklich fallen sie auf in ihrer Bewegung. Die Völker, als vermochten sie den Wind aufzuteilen, bedienen sich seiner, um die Luft über sich als die ihre zu bezeichnen. (S. 95)



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